Header

Digitaler Zwilling

Ohne Digitalen Zwilling keine virtuelle Bearbeitung

Im Interview äußern sich Phillip Block und Dirk Weiß von CGTech zur Bedeutung der digitalen Abbilder von Maschine, Produkt und Prozess in der NC-Simulation.

Der „Digitale Zwilling“ hat in den letzten Jahren eine steile Karriere hingelegt. Inwiefern passt Ihre CNC-Simulationssoftware VERICUT ins Bild einer digitalen Industrieproduktion?

Phillip Block: Das Schlagwort Industrie 4.0 wurde 2011 anlässlich der Hannover Messe (HMI) aus der Taufe gehoben. Die Geburt des Begriffes Digitaler Zwilling datiere ich frei Hand auf 2015. Zu dem Zeitpunkt zählte unsere Softwarelösung VERICUT schon seit über 25 Jahren zu den Pionieren der IT-gestützten Industrieautomatisierung. Mit digitalen Zwillingen – konkret der Simulationen von Bearbeitungsmaschinen und der digitalen Bearbeitung zunächst digitaler Produkte – arbeiten wir schon seit 1988.

War der Launch einer Softwaretechnologie für CNC-Maschinensimulationen, -prüfung und -optimierung im Jahr 1988 gewagt oder visionär?

Dirk Weiß: Mutmaßlich beides. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade einmal vier Jahre ins Land gegangen waren, nachdem IBM und Apple die ersten Computer für eine breiter gefasste Zielgruppe lanciert hatten. Da waren PCs noch bleischwere, graue Plastikkästen mit kleinen Monitoren so groß wie heutzutage manches Smartphone-Screen. Die Idee der NC-Simulation hat sich definitiv durchgesetzt, das ist entscheidend. VERICUT ist heute immerhin Industriestandard in rund 60 Ländern.

Das bedeutet?

Dirk Weiß: Damals wie heute wurde die Notwendigkeit erkannt, NC-Programme prüfen zu können, ohne kostenintensive Maschinenlaufzeiten an Einfahrteile zu verschwenden. Und das funktioniert mit einer virtuellen Bearbeitungsmaschine auf dem Schreibtisch nun einmal effizienter als im Shopfloor mit dem zeit- und kostenintensiven Trial & Error-Prozedere. Das ist nicht nur in sicherheitskritischen Anwendungen wie der Teilefertigung für die Luft- und Raumfahrt ein Riesenvorteil.

Virtuelle Abbilder von physischen Objekten oder Prozessen sind aber nur ein Baustein der intelligenten Vernetzung von Maschinen und Abläufen.

Phillip Block: Aber eben doch entscheidend. CGTech-Gründer Jon Prun hat damals im Kleinen umgesetzt, was heute gängiges Paradigma der produzierenden Industrie ist: die Verschmelzung physischer und virtueller, also datengestützter, Produktionsformen. Das geht produktseitig ohne den digitalen 3D-Zwilling nicht, der ja von Engineering über Konstruktion, Fertigung und Inbetriebnahme benötigt wird – das geht produktionsseitig nicht ohne die Verfügbarkeit eines virtuellen Maschinenmodells in 3D, wie es VERICUT nutzt. Denn nur die Fertigungssimulation der NC-Daten, also des Maschinencodes, bietet den Unternehmen hinreichende Sicherheit für ihre Bearbeitungsprozesse.

Datenkonsistenz und -durchgängigkeit sind zwei zentrale Eckpunkte jeder digitalen Offensive. Also müssen Sie Schnittstellen an beiden Enden der Prozesskette, CAM-Programm und Maschine, vorhalten.

Dirk Weiß: Absolut richtig und sehr wichtig. VERICUT kann wirklich jede CNC-Maschine herstellerunabhängig simulieren. Und natürlich liefern wir oder unsere Partner auch die nötigen Schnittstellen, die VERICUT in die spezifische Software-Fertigungsumgebung der Kunden integrieren. Alle notwendigen Daten wie Rohteil, Fertigteil, NC-Programme, Aufspannungen, Werkzeuge und Nullpunkte werden für die ausgewählte CNC-Maschine übergeben.

Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Unternehmen, um eine Simulationsinitiative an der Schnittstelle von NC-Programmierung zu Fertigung zu starten?

Phillip Block: Steigen Sie mit ersten Leuchtturm-Projekten ein! Auf dieser Basis wird auch der Anwendernutzen schnell deutlich – denn nur durch greifbaren Nutzen setzen sich Applikationen letztlich durch.